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Unterwegs mit der Kamera

Die perfekte Kamera oder wie ich die Suche danach aufgab und begann, meine Kamera zu lieben

Jellies

Jellies – Sony Cyber-shot DSC-P1

Die perfekte Kamera – eine Illusion? Jeder erwachsene Mensch dürfte es im Laufe seines Lebens feststellen: die Welt, in der wir leben, ist nicht perfekt. Trotzdem suchen viele Fotografen den “heiligen Gral” – die Kamera, welche noch bessere Bilder liefern soll als diejenige, welche aktuell im Fotorucksack steckt. Auch ich habe mit einer kleinen Kompaktkamera angefangen und diese wieder und wieder eingetauscht.

Meine erste Digitalkamera

Für meine erste USA-Reise habe ich mir eine Digitalkamera gekauft. Ich hatte bis dahin nur ab und zu mit analogen Kompaktkameras Schnappschüsse geknipst – einfach so zur Erinnerung. Richtig Spass dabei hatte ich allerdings nie. Zu oft waren die Bilder verwackelt, irgendwie unscharf oder es stimmte sonst etwas nicht – meist wusste ich selbst nicht genau, warum mir ein Bild nicht gefiel. Zudem musste ich auch noch auf die Filmentwicklung warten, bis ich die fertigen Fotos in den Händen halten konnte. Dafür war ich einfach zu ungeduldig.

Sony Cyber-shot DSC-P1, Image Copyright: Sony

Meine erste Digitalkamera: Sony Cyber-shot DSC-P1, 3.3 Megapixel 1/1.8″ Sensor (7.144 x 5.358 mm), 3x Zoom, Brennweite: 8-24mm (39-117mm äquivalent zu Kleinbild), Blende F2.8 – F5.3 (Bild: Sony)

Doch dann kam die digitale Revolution auch im Fotobereich ins Rollen und Sony brachte eine digitale Cyber-shot Kompaktkamera mit 3 Megapixeln Auflösung auf den Markt: Die DSC-P1. Obwohl dieses technische Wunder damals mit einem Preisschild von weit über tausend Schweizerfranken deutlich über meiner Schmerzgrenze lag – ganz zu schweigen vom nochmals so schockierend teuren Memory-Stick – entschied ich mich, es zu versuchen. Nach diversen Testaufnahmen war ich bereit für die Reise über den grossen Teich.

U.S.A. – Land of the Free, Home of the Brave

Im Juni 2002 stieg ich voller Erwartungen in Los Angeles, Kalifornien aus dem Flugzeug. Wie sieht er in der Realität aus – der amerikanische Traum? Schon der Anflug auf den Flughafen LAX hatte mich schwer beeindruckt. Die für mich als Schweizer ungeheuren Ausmasse der Stadt mit ihren Vororten waren schier unglaublich.

Sea Gull - Sony Cyber-shot DSC-P1

Sea Gull – Sony Cyber-shot DSC-P1

Und dann diese Strassen: So viele Fahrspuren auf einmal hatte ich noch nie gesehen. Der Gedanke selber schon bald am Steuer eines amerikanischen Strassenkreuzers in diesen gewaltigen Verkehrsströmen mitzuschwimmen, löste bei mir ein leicht flaues Gefühl im Magen aus.

Pismo Beach, California – Sony Cyber-shot DSC-P1

Pismo Beach, California – Sony Cyber-shot DSC-P1

Schliesslich wurde es nichts mit dem amerikanischen Auto: Ich erhielt von der Autovermietung einen Isuzu Trooper SUV zugeteilt. Zudem hatte dieser keinen Allradantrieb – dies merkte ich doofer Tourist erst, als ich auf der Pismo Beach lässig herumkurvte und kurz darauf im tiefen Sand steckenblieb. Zwei grinsende Teenager mit einem riesigen Dodge Pick-up mussten mich aus meiner misslichen Lage herausziehen – ziemlich peinlich. Aber das ist eine andere Geschichte.

Magisches Licht

Mit meiner kleinen japanischen Bildmaschine gelang mir mit viel Anfängerglück das Bild mit dem unglaublichen Lichtstrahl im Antelope Canyon. Der Upper Antelope Canyon bei Page in der Wüste Arizonas war damals bei Touristen noch fast unbekannt und man konnte sich alleine und völlig frei in diesem Naturwunder aus Sandstein bewegen. Kein Wunder ist dieser Ort den Navajo Indianern heilig. Von dieser kühlen Stille und heiligen Erhabenheit können die Besuchermassen heute allerdings nur noch träumen.

Antelope Canyon - Sony Cyber-shot DSC-P1

Antelope Canyon – Sony Cyber-shot DSC-P1

Doch wie habe ich das Bild damals aufgenommen? Ich hatte das Bildformat von JPEG auf TIFF (unkomprimiert) umgestellt – RAW gab es damals noch nicht, den Aufnahmemodus  auf Zwielicht und den 10 Sekunden-Selbstauslöser aktiviert. Anschliessend stellte ich die Kamera senkrecht auf einen kleinen flachen Stein am Boden des Canyons. Ein Stativ besass ich damals nicht und ich glaubte wie die meisten Fotoanfänger auch nicht daran, je eines besitzen zu müssen. Als ich nach dem Countdown des Selbstauslösers das Bild auf dem kleinen Display der Sony sah, glaubte ich meinen Augen kaum! Es ist erstaunlich: Auch heute im Zeitalter von Photoshop, Lightroom und Co. braucht die Originaldatei kaum Nachbearbeitung: Ein wenig Entrauschen reicht. Dieser Zufallstreffer war damals ein Schlüsselerlebnis für mich: Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, Fotografieren zu können! Dieses Bild hat mich zur Fotografie gebracht und ziert noch heute als Hintergrundbild mein iPhone und begleitet mich so überall hin.

Die Suche nach der perfekten Kamera

Seither ist viel Zeit vergangen und ich habe oft die Kamera gewechselt. Zuerst waren es mitten im Megapixel-Rennen die Nachfolger der Sony DSC-P1, welche immer grössere und rauschärmere Sensoren versprachen. Einige Jahre später kaufte ich meine erste digitale Spiegelreflexkamera: Eine Canon EOS 10D. Dann wechselte ich auf die 20D, eine 5D, 5DMKII und mittlerweile eine 5DMKIII und eine 1DMKIV. Als Kompaktkamera nutze ich eine ältere Canon S90 und – ich muss es zugeben – immer häufiger mein iPhone 5. Aktuell schiele ich auf die Fujifilm X100S

Transamerica Pyramid, San Francisco - Sony Cyber-shot DSC-P1

Transamerica Pyramid, San Francisco – Sony Cyber-shot DSC-P1

Die gängigen Kameras im oberen Preissegment haben in den letzten Jahren ein Qualitätsniveau erreicht, welches von einer Modellgeneration zur anderen keine riesigen Sprünge in der Bildqualität mehr erwarten lässt. Lohnt es sich dennoch, immer wieder die eigene Kamera gegen das Nachfolgemodell auszutauschen? Zugegeben: Ich bin immer noch hochgradig gefährdet, wenn ein Hersteller eine neue Kamera vorstellt: Ich habe meine Canon 5DMKII gegen eine 5DMKIII eingetauscht. Bei meiner Kompaktkamera habe ich allerdings definitiv aufgehört, jeden Modellwechsel mitzumachen. Und ich habe den Eindruck, dass es bei meiner DSLR-Ausrüstung auch soweit kommt: Werden meine Fotos wirklich durch jeden Modellwechsel laufend besser? Und wie sieht es mit den Objektiven aus? Brauche ich jede Brennweite so häufig, wie ich mir das selber eingeredet habe?

No U Turn - Sony Cyber-shot DSC-P1

No U Turn – Sony Cyber-shot DSC-P1

Habe ich G.A.S.?

Vor kurzem habe ich einen nachdenklich stimmenden englischsprachigen Blog-Artikel gelesen: “Confessions of an ex gear addict: How buying cameras and lenses made me miserable and lose thousands”. Der Autor Olivier Duong zeigt freimütig und drastisch auf, wohin ihn der zwanghafte Drang geführt hat, immer neue Fotoausrüstung dazukaufen zu müssen. Unweigerlich fragt man sich beim Lesen des Artikels, wie es um einen selber steht: Habe ich G.A.S.? (G.A.S. steht als Abkürzung für “Gear Acquisition Syndrome”, den Drang laufend neue Ausrüstung anschaffen zu müssen.)

On the Road - Sony Cyber-shot DSC-P1

On the Road – Sony Cyber-shot DSC-P1

Vielleicht ist es nicht schlecht, wenn man von Zeit zu Zeit als Standort-Bestimmung seine eigenen Erkenntnisse in einer Liste festhält. Die einzelnen Punkte auf meiner Liste mögen nicht für jeden Fotografen zutreffen, können aber zum Nachdenken anregen – was sicher nichts Schlechtes ist. Ich nehme mir auf jeden Fall vor, diese Liste weiter zu ergänzen, sollte ich auf neue Erkenntnisse stossen.

Meine Einsichten zur Fotografie

  1. Wer fotografiert, investiert seine Zeit gut und lernt aufmerksamer zu sehen.
  2. Wer laufend seine Ausrüstung wechselt, lernt seine Werkzeuge nie richtig kennen.
  3. Die technische Qualität der Bilder wird im Laufe der Zeit besser, wenn man die Stärken und Schwächen seiner Kamera und Objektive kennt.
  4. Wer seine Ausrüstung blind und intuitiv bedienen kann, erwischt den entscheidenden Moment in einer schnell wechselnden Situation besser.
  5. Zu viel Ausrüstung ist schädlich, frustriert beim Schleppen, lenkt ab und behindert den kreativen Prozess.
  6. Fotografen mit einer kleinen überschaubaren Ausrüstung sind produktiver und kreativer vor Ort.
  7. Die technische Qualität eines Fotos wird oft überbewertet.
  8. Die Bedeutung der gestalterischen Aspekte, die Komposition, das Eliminieren von störenden Elementen in einem Bild wird viel zu oft vernachlässigt oder schlicht ganz vergessen.
  9. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die nächste bessere Kamera oder das soeben erschienene Objektiv bringe die eigene Fotografie weiter.
  10. Die eigenen Bilder werden besser, wenn man Fotoausstellungen besucht, Bücher zum Thema Gestaltung liest und sein Portfolio von einem Profi beurteilen lässt.
  11. Nicht die Kamera macht das Bild, sondern der Fotograf.
  12. Jeder Fotograf sollte seine Bilder möglichst selber drucken, um so den kreativen Kreis von der ersten Idee bis zum fertigen Bild zu schliessen. Insbesondere Digitalfotografen sollten versuchen, etwas Reales zu schaffen – etwas, das aus der virtuellen Welt von Bits und Bytes in die reale Welt tritt.
  13. Der Anblick eines gelungenen Prints macht glücklich!
  14. Geh raus in die Welt und fotografiere! Du wirst dich selbst und die Welt, in der du lebst, besser kennenlernen!
  15. Die perfekte Kamera gibt es nicht. Es lohnt sich nicht, für die Suche danach zu viel kostbare Zeit aufzuwenden. Diese Zeit fehlt sonst für das eigentliche Ziel: Das Fotografieren. Lerne das zu schätzen, was du bereits zur Verfügung hast.

Ich wünsche allen viel Spass beim Fotografieren!

Sequoia National Park - Sony Cyber-shot DSC-P1

Sequoia National Park – Sony Cyber-shot DSC-P1