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Unterwegs mit der Kamera

Cote de Granit Rose, light-phenomenon.com

Mit dem Big Stopper an der Rosengranit-Küste

Gewollt verschwommen

La Côte de Granit Rose, Bretagne

Mit dem Lee Big Stopper an der “Côte de Granit Rose” in der Bretagne, Canon EOS 5D Mark III, EF 24-105 mm @ f/13, 30 s, ISO 100

Langzeitbelichtungen bewegter Objekte können faszinierende Bildwirkungen erzielen und bieten unzählige kreative Möglichkeiten. Neben vorbeifahrenden Fahrzeugen, Sternspuren und verschwimmenden Wolken hat das Element Wasser seinen besonderen Reiz.

Besonders am Meer lassen sich mit langen Belichtungszeiten minimalistische Kompositionen gestalten. Wellenbewegungen lassen sich ausblenden – die Wasseroberfläche wirkt einheitlich und zeigt keine Ablenkungen für das Auge des Betrachters.

Wird die Belichtungsdauer weiter erhöht, wird der Bildeindruck mystisch bis surreal. Die Brandung rund um die Felsen wirkt mit länger werdender Belichtungszeit wie Nebel. Welche Belichtungsdauer optimale Ergebnisse erzielt, liegt einzig im Ermessen des Fotografen.

Filter für Langzeitbelichtungen bei Tageslicht

Lee Big Stopper, 10 Stops, light-phenomenon.com

Der Lee Big Stopper im Einsatz. Der Filterhalter erlaubt die gleichzeitige Aufnahme eines weiteren Filters wie beispielsweise ein Polarisations- oder Grauverlauffilter (GND-Filter). Der Big Stopper muss in der Rille direkt beim Objektiv eingesetzt werden, damit kein Streulicht eindringen kann.

Um bei hellem Tageslicht auf Belichtungszeiten von mehreren Sekunden bis Minuten zu kommen, muss Licht weggefiltert werden. Das Bild würde sonst massiv überbelichtet oder gar ganz weiss und ohne jegliche Zeichnung vom Kamerasensor aufgezeichnet. Die benötigten Filter werden Graufilter, Neutraldichtefilter oder kurz ND-Filter genannt.

Fast schwarz: Der Lee Big Stopper

Gute ND-Filter zeichnen sich durch eine neutrale Farbwiedergabe aus. In der Praxis gelingt es den Herstellern allerdings selten perfekt, diesen Anspruch umzusetzen. Meist sind in der digitalen Dunkelkammer Manipulationen am Weissabgleich nötig, oder es sind gezielte Farbkorrekturen erforderlich.

Seit vielen Jahren ist die englische Firma “LEE Filters” für ihre Qualitätsfilter bekannt. Es gibt aber Alternativen auf dem Markt auf: Ein ernstzunehmender Konkurrent dürfte der chinesische Hersteller “Haida” sein. Welcher der beiden Hersteller die bessere Farbneutralität erzielt, wird zum Teil heiss diskutiert. Der von mir hier eingesetzte Lee Big Stopper erzeugt leicht kühle, blaustichige Aufnahmen. Doch wenn das Bild später ohnehin in ein Schwarzweiss-Foto umgewandelt werden soll, ist diese Farbverschiebung irrelevant.

Ein Lee Big Stopper filtert das Licht von zehn Blendenstufen weg – “10 Stops” wie es so schön auf Englisch heisst. Wie viel Licht das ist, sieht man von blossem Auge: Durch das nahezu schwarze Filterglas des Big Stoppers ist kaum etwas zu erkennen!

Der Lee Big Stopper im Einsatz in der Bretagne, Frankreich - Daniel Haller, light-phenomenon.com

Der Lee Big Stopper ist so dunkel, dass die Kamera “blind” ist. Die korrekten Belichtungszeiten müssen vor der Aufnahme ermittelt werden. Der Autofokus hat ebenfalls keine Chance: Manuelle Schärfeeinstellung ist ein Muss.

Bei meinem Besuch der Rosengranitküste in der Bretagne hatte ich – wie so oft – zu wenig Zeit zur Verfügung, um morgens oder abends eine bestimmte Lichtstimmung abzuwarten. Das trübe Wetter und die geschlossene Wolkendecke boten allerdings ideale Voraussetzungen, um den Lee Big Stopper einzusetzen.

Die Küste entlang des Zöllnerpfads “Sentier des Douaniers” von Perros-Guirec bis nach Ploumanac’h ist ein Touristenmagnet. Eine Langzeitbelichtung kann als praktischer Nebeneffekt sämtliche Touristen aus dem Bild verschwinden lassen! Menschen, die sich genügend schnell durchs Bild bewegen, werden auf dem Foto nicht abgebildet.

Die fotogenen Felsformationen bieten sich geradezu für ein Schwarzweissfoto an. Die Steine haben übrigens ein Alter von 300 Millionen Jahren! Ist das nicht erstaunlich?

Schritt um Schritt: Der Big Stopper im Einsatz

Hier eine kleine Liste wie der Lee Big Stopper richtig eingesetzt wird:

  1. Stativ mitschleppen – bei Langzeitbelichtungen ein Muss. Ernsthafte Fotografen haben sowieso immer ein Stativ dabei :)
  2. Kabel- oder Fernauslöser verwenden – ich habe bei meiner Aufnahme den Selbstauslöser der Kamera verwendet: die ermittelte Belichtungszeit betrug in meinem Fall bei ISO 100 30 Sekunden.
  3. Bildstabilisation abschalten – diese ist Kontraproduktiv bei langen Belichtungszeiten und beim Einsatz auf dem Stativ.
  4. Schärfe manuell OHNE Filter einstellen – eine mögliche Methode: Den passenden Autofokus-Punkt selektieren, den Auslöser halb durchdrücken und anschliessend am Objektiv von AF auf MF umstellen. Schärfering am Objektiv danach nicht mehr verstellen.
  5. Testbild schiessen OHNE Filter – Blende vorgeben (Av-Modus) und die nötige Belichtungszeit automatisch von der Kamera ermitteln lassen. In der zum Big Stopper mitgelieferten Tabelle die Zeit ablesen, welche mit aufgesetztem Filter verwendet werden muss.
  6. Big Stopper aufsetzen – dabei die hinterste Rille im Filterhalter direkt vor dem Objektiv verwenden und die Schaumgummidichtungen am Big Stopper nach hinten zum Objektiv ausrichten: Es soll möglichst kein Streulicht in das Objektiv eintreten können. Beim Einsetzen des Filters in den Halter die zuvor manuell eingestellte Schärfe nicht verstellen.
  7. Bulb – falls nötig den Kameramodus auf Bulb umstellen. Bei der Canon EOS 5D III ist dies bis 30 Sekunden Belichtungszeit nicht nötig. Längere Zeiten müssen mit dem Kabelauslöser im Bulb-Modus belichtet werden. Dabei darauf achten, dass derselbe Blendenwert eingestellt ist, wie bei der vorherigen Testaufnahme.
  8. Sucher abdecken – sicherheitshalber den Sucher der Kamera abdecken, damit während der Aufnahme kein Streulicht eindringen kann.
  9. Belichtung auslösen – endlich sind wir soweit: Wir sammeln Photonen… Im Bulb-Modus die korrekte Zeit belichten. Falls nötig eine Stoppuhr verwenden.
  10. Histogramm beurteilen – nach erfolgter Aufnahme lohnt sich ein Blick auf das Histogramm: Haben wir eine schöne Verteilung der Tonwerte in der Aufnahme erreicht? Wir wollen vor Ort in der RAW-Datei möglichst viele brauchbare Informationen sammeln, um daheim in der Nachbearbeitung unsere Bildvision in hoher Qualität fertig entwickeln zu können.

War das jetzt kompliziert? Hoffentlich habe ich niemanden abgeschreckt, denn es ist wirklich viel einfacher, als es auf den ersten Blick erscheint. Mit etwas Übung hat man den Ablauf schnell raus.

Die korrekte Belichtungszeit per App ermitteln

Lee liefert zum Big Stopper eine kleine Tabelle mit einer Gegenüberstellung gängiger Belichtungszeiten. Moderne Fotografen mit Smartphones greifen praktischerweise zur passenden App: Lee stellt für iOS- und Android-Benutzer eine kostenlose App bereit, mit welcher sich die Belichtungszeit kinderleicht ermitteln lässt. Sogar an eine Timerfunktion für den Bulb-Betrieb hat man gedacht.

LEE Filters - Stopper Exposure Guide, available for iOS and Android

Belichtungszeiten einfach ermitteln per App: “LEE Filters – Stopper Exposure Guide” kostenlos für iOS und Android

Die praktische App unterstützt zusätzlich den kleinen und den grossen Bruder des Big Stoppers: Den “Little Stopper” mit 6 Stops und den “Super Stopper” mit sagenhaften 15 Stops.

LEE Filters - Stopper Exposure Guide, available for iOS and Android

Bei meiner Testaufnahme in der Bretagne hat meine Kamera eine Zeit von 1/30 s ermittelt. Die App zeigt die passende Zeit für den Big Stopper: 30 Sekunden

Langzeitbelichtungen machen Spass und eröffnen unerschöpfliche kreative Möglichkeiten! Ich hoffe, ich konnte einige Anregungen für eigene Experimente geben.

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