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Unterwegs mit der Kamera

La Gomera

Urwald, Nebel und nackte Hippies

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Einer der letzten Urwälder unserer Erde

Die zweitkleinste der beliebten Kanarischen Inseln bietet diese bemerkenswerte Mixtur und noch einiges mehr. Wobei ich mir bei den nackten Hippies nicht ganz sicher bin. Doch davon später mehr. La Gomera liegt vor der Küste Afrikas und hat den Übernamen “Die Magische Insel” zu Recht erhalten. Sie wirkt komplett anders als die viel bekanntere grosse Schwesterinsel Teneriffa.

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Unberührte Natur im feuchten Nebelwald auf La Gomera

La Gomera wird nicht von tausenden Pauschal-Touristen überschwemmt, Billig-Airlines fliegen keine hierher. Hier gibt es keine Fastfood-Ketten, keine Ampeln, keine Kinos und keine mit Bettenburgen zugebauten Strände. La Gomera setzt auf einen sanften Tourismus. Die fast kreisrunde Insel bietet auf kleiner Fläche ruhige Badestrände, Orte mit mystischer Stille, Nebelwälder und windumtoste Berggipfel.

Eine Kurve nach der anderen

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Ein grüner Tunnel im Garajonay National Park – Langzeitbelichtung, ISO 50, f/29, 8,0s, Polfilter, Stativ

Die aus einer endlos scheinenden Reihe von Kurven bestehenden Strassen auf La Gomera sind schmal und oft steil. Mein Mietwagen tut mir fast leid: Wieder und wieder muss ich den schwach motorisierten Opel Corsa mit heulendem Motor die Berge hochscheuchen. Den Wagen hatte ich direkt am Flughafen von Teneriffa übernommen und bin innert einer Stunde mit der Schnellfähre nach La Gomera übergesetzt.

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Eine der Schnellfähren, die Teneriffa und La Gomera verbinden

Eine entspannte Variante ohne lange Wartezeiten. Doch aufgepasst: Bei der Mietwagen-Reservation muss aus versicherungstechnischen Gründen explizit nachgefragt werden, ob der Wagen überhaupt auf die Fähre darf. Nicht alle Autovermietungen auf Teneriffa erlauben dies.

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La Gomera von der Schnellfähre aus gesehen. Ab einer gewissen Höhe bleiben die Wolken an der Vulkaninsel hängen.

Grandiose Aussicht auf dem Alto de Garajonay

Der höchste Berg, der Garajonay, ragt imposante 1487 Meter aus dem Atlantik empor. Die Strasse führt bis hoch hinauf. Bereits nach kurzer Wanderung komme ich oben auf dem “Gipfel” an. Ich bin erstaunt wie flach und unspektakulär sich diese höchste Erhebung der Insel präsentiert. Der Weg zu diesem heiligen Platz lohnt sich dennoch: Die Aussicht auf die Nachbarinseln und den endlosen Ozean muss man gesehen haben.

UNESCO Weltnaturerbe

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Einer meiner Lieblingspfade auf La Gomera

Das Juwel der Vulkaninsel ist zweifellos der Nebelwald im Nationalpark Garajonay (Spanisch: Parque Nacional de Garajonay). Er darf das Label “UNESCO Weltnaturerbe” tragen, welches meiner bisherigen Erfahrung nach immer ein Garant für einzigartige Naturschönheiten ist. Bei den Recherchen für meine Reisen, halte ich stets Ausschau, ob ein Gebiet mit dem UNESCO Label in Reichweite liegt und ich bin noch nie enttäuscht worden.

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Immer wieder zieht Nebel auf und verändert die Stimmung im Märchenwald

Seit zwei Millionen Jahren existiert auf La Gomera der grösste zusammenhängende Lorbeerwald der Erde. Dank der schroffen und zerklüfteten Topografie der Vulkaninsel haben die ersten menschlichen Bewohner keinen flächendeckenden Kahlschlag betreiben können. Die immergrünen subtropischen Baumriesen mit ihren harten glänzenden Blättern wuchsen früher in grossen Teilen Südeuropas. Doch diese Urwälder sind auf dem Kontinent den Eiszeiten zum Opfer gefallen.

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Auf dem Weg zu einem “Mirador” (spanisch für Aussichtspunkt)

Als ich zum ersten Mal in den Wald eintauche, bin ich sofort begeistert. Die urtümlichen Bäume, Farne, Flechten und das viele Moos schaffen zusammen mit dem allgegenwärtigen Nebel eine grüne Welt wie aus einem verlorenen Zeitalter. Unweigerlich muss ich an Steven Spielbergs Blockbuster “Jurassic Park” aus dem Jahr 1993 denken, obwohl viele der phantastischen Landschaftsaufnahmen nicht hier, sondern auf Hawaii (Kauaʻi, Oʻahu, Maui und Niʻihau) gedreht wurden.

Die heutigen Inselbewohner schützen ihren Wald in vorbildlicher Weise. Nirgendwo liegt Abfall, die Wanderwege sind gut unterhalten und meist gut ausgeschildert. Das Besucherzentrum ist klein aber informativ.

Fotografieren im Garajonay Nationalpark

Das Wetter in den Bergen ist wechselhaft und es ist deutlich kühler als unten am Meer. Die hochaufragenden Berge stellen sich den Passatwinden in den Weg. Nebel und häufiger leichter Regen sind die Folge. Es empfiehlt sich einen Regenschutz und eine Fleece-Jacke dabei zu haben. Bei meinem Besuch Mitte Oktober ist es in der ersten Tageshälfte tatsächlich häufig nass, kühl und neblig. Gegen Mittag kommt die Sonne zum Vorschein und es wird zunehmend schwieriger, im Wald gute Fotos zu machen.

Fotografieren im Wald ist ohnehin nicht so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag. Zu gross sind die Helligkeitsunterschiede zwischen dem Himmel über den Baumkronen und den Schatten im Unterholz. Der Dynamikumfang überfordert sogar teure Profi-Kameras. Bei klarem Himmel und Sonnenschein ist das in den Wald eindringende Licht harsch. Meist sind die fotografischen Ergebnisse eher bescheiden. Die gleiche Problematik stellt sich auch hier im Lorbeerwald auf La Gomera.

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Farne im Nationalpark Garajonay, La Gomera

Einige Tipps für Fotos im Wald

Bedeckter Himmel: Die kondensierende Feuchtigkeit im Nationalpark bietet Vorteile für den Fotografen. Bei Nebel oder bedecktem Himmel werden die Kontraste einigermassen beherrschbar.

Polfilter: Bei nassen Blättern bietet sich der Einsatz eines Polfilters an. Das satte Grün des moosbedeckten Waldes kommt so auf den Bildern voll zur Geltung. Ein möglicher Nachteil entsteht dadurch, dass der Polfilter das wenige vorhandene Licht noch mehr dezimiert. Bei Wind produzieren Äste und Blätter durch ihre Bewegungen Wischspuren in den Fotos. Die langen Verschlusszeiten können die Bewegungen im Bild nicht mehr einfrieren.

Unterbelichten: Zum Teil habe ich im Wald bis zu einer Blende und mehr unterbelichtet. Die Kamera-Automatik neigt bei einer dunklen Umgebung zu einer Überbelichtung. Also quasi der umgekehrte Effekt wie bei einer Schneelandschaft: Hier muss meist Überbelichtet werden, sonst produziert der automatische Belichtungsmesser “grauen Schnee”.

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Bei düsterer Lichtstimmung kontrastieren die dunklen Baumstämme mit dem wuchernden Moos

Stativ: In einer Umgebung mit so wenig Licht geht ohne Stativ im Normalfall gar nichts. Ein allfällig vorhandener Bildstabilisator sollte man beim Einsatz eines Stativs besser ausschalten. Der Stabilisator könnte kontraproduktiv wirken und sogar Unschärfe im Bild produzieren.

Highlight Priority: Bei meiner Canon EOS 5D Mark III verwende ich bei kritischen Lichtern gerne den Higlight Priority Mode. So habe ich in der RAW-Datei mehr Reserven, falls die Lichter unschön ausbrennen.

Live View: Da es sich im Wald um statische Landschaftsmotive handelt und genügend Zeit vorhanden ist, kann man mit der Vergrösserungsfunktion im Live View Modus die Schärfe in kritischen dunklen Bildstellen sorgfältiger kontrollieren als beim Blick durch den dunklen Sucher.

Meine Lieblingsorte fürs Fotografieren auf La Gomera: Der Nebelwald in der Gegend um den Parkplatz bei Cañada de Jorge / Las Creces und die Ermitage de Lourdes im hochgelegenen Tal am nördlichen Rand des Garajonay National Parks. Dort hat es einen stillen kleinen Bach mit wunderschönen Farnen. Gleich nebenan befindet sich das kleine Dorf El Cedro. In dem kleinen Restaurant “La Vista” wird eine exzellente Wasserkresse-Suppe serviert.

Whale Watching

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Delfine vor La Gomera

Bei meinem Besuch an einem der Info-Abende des Whale-Watching Anbieters Oceano erfahre ich, dass die Schnellfähren nicht unumstritten sind: Das Gebiet um La Gomera ist ein Rückzugsgebiet vieler Wale und Delfine. Der Schiffsverkehr produziert unter Wasser extrem schädlichen Lärm und es geraten auch Tiere in die Antriebsschrauben der Fähren. Ein qualvoller Tod ist meist die Folge.

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Mit dem Boot unterwegs vor La Gomera. Die vulkanischen Vorgeschichte der Insel ist überall sichtbar.

Ein paar Tage später auf der Oceano Whale Watching Tour lassen sich einige Delfine kurz blicken. Leider gelingen mir keine guten Aufnahmen. Auf dem Rest der Tour fahren wir der zerklüfteten Küste entlang zurück nach Vuelta, dem kleinen Hafen im Valle Gran Rey.

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Intensive Farben an der wilden Küste von La Gomera

Und was ist jetzt mit den nackten Hippies?

Die neu aufkommende Hippie-Bewegung entdeckte in den 60er-Jahren die einsamen Strände auf der Insel La Gomera. Hier am Ende der Welt schien die Zivilisation weit weg. La Gomera war damals unerschlossen. Das heutige Strassennetz gab es noch nicht. Auf den schmalen Wegen durch die Berge lauerte die Gefahr von Steinschlägen. Auf der Insel soll es Kreuze geben, die an erschlagene Pilger erinnern.

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Metallschrott einer alten Fischfabrik auf La Gomera

Besonders das sonnige zur Küste hin steil abfallende Tal mit dem Namen Valle Gran Rey im Südwesten der Insel hatte es der Flower-Power Generation angetan. Monatelang lebten hier die ersten Aussteiger entlang der riesigen Felswände und in den Höhlen der sogenannten Schweinebucht.

Fern von allen Zwängen suchten sie hier an den schwarzen Stränden nach bewusstseinserweiternde Erfahrungen und natürlich nach Liebe. Im streng katholischen Fischerdorf wunderte man sich über die eigenartigen Ausländer, die am Strand ausgiebig feierten und tanzten – der Legende nach auch nackt.

Meditation und Yoga am Strand

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Meditation – Langzeitbelichtung früh morgens am Strand. Das ist zwar keine neue Bildidee, macht aber immer Spass!

Auch in der Gegenwart hocken Meditierende in der salzigen Gischt am Strand. Zum Sonnenuntergang trifft man auf Jongleure, Bongo-Trommler und Gitarrenspieler. Man hat das Gefühl, in einer kleinen deutschen Alt-Hippie-Enklave angekommen zu sein. Ich frage mich, ob das Leben hier für diese Aussteiger tatsächlich einfacher ist, als im fernen Deutschland.

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“El Drago”, ein alter Drachenbaum (Dracaena draco). Er ist nicht einfach zu fotografieren, da er in steilem Gelände wächst. Der alte Baum braucht Schutz: Er steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Panorama aus 5 Einzelaufnahmen.

Auch ich geniesse meinen Aufenthalt im Valle Gran Rey. Nach einer Wanderung in den kühlen Bergen ist eine Siesta hier an der Sonne ein Genuss. In dem entspannten Ort gibt es viele kleine Restaurants.

Für diejenigen, die zusätzlich zu den berühmten Papas Arrugagadas con Mojo (die leckeren Schrumpelkartoffeln mit Salzkruste und den grünen und roten Saucen) weitere kanarische Spezialitäten entdecken möchten, kann ich das direkt an der Baby Beach gelegene Restaurant “Charco del Conde” empfehlen. So gut habe ich bisher auf den Kanaren nirgendwo gegessen! Meine Dessert-Entdeckung: Gofio!

Nährstoffsuchende Smoothie-Liebhaber sollten in der vegetarischen und veganen Tapas Bar “Noah’s Ark” vorbeischauen.

Übrigens: Nackte Alt-Hippies sind mir niergendwo über den Weg gelaufen…

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