Verschollene Schätze im Datengrab

Vom Druck auf den Auslöser der Digitalkamera bis zum fertigen präsentierbaren Foto sind etliche Schritte nötig. Wer viel fotografiert, wird früher oder später Überlegungen anstellen, wie er diesen Workflow einfacher und effizienter gestalten kann. Die Nachbearbeitung der Bilder am Computer nimmt schnell übermässig viel Zeit in Anspruch, die am Ende für das Fotografieren draussen fehlt. Ein kleiner aber oft vernachlässigter Schritt innerhalb eines effizienten Workflows ist die Verschlagwortung der Bilder mit hierarchischen Stichwort-Tags, wie sie Adobe in Lightroom nennt. Wer diesen Schritt komplett oder häufig auslässt, wird mit den Jahren feststellen, dass sein Bildbestand zwar laufend gewachsen ist, die Bilder aber kaum auffindbar sind. Wo war doch das Bild gleich? In welchem Verzeichnis? Schade um die unzähligen verschollenen Fotos, die als Datenleichen irgendwo auf den Festplatten dieser Welt Staub ansetzen.

Metadaten bringen Licht ins Dunkel

Auch Foto-Amateure sollten ihre Bilder verschlagworten. Das ist keineswegs eine Domäne, welche ausschliesslich den Profis vorbehalten ist. Schon mit einigen wenigen treffenden Stichwörtern lassen sich Bilder auch nach Jahren wiederfinden. Überraschenderweise fördert LR dabei oft Fotos an die Oberfläche, die man längst vergessen hat. Gleichzeitig lassen sich mit den Resultaten ganze Bildserien mit einem Fotomotiv zusammenstellen. Bildserien sind hilfreich, um das eigene Sehen zu schulen. Wer sich eingehender mit der Idee hinter Fotoserien befassen möchte, kann sich weitere Anregungen im Buch “Die Fotoserie: Besser fotografieren durch serielles Arbeiten” von Harald Mante holen.

Viele kleine konsequente Schritte führen zum Ziel

Ich gebe offen zu, dass auch ich nicht immer sofort alle neuen Bilder verschlagworte. Manchmal fehlt mir die Zeit, oder ich habe schlicht keine Lust dazu und lasse mir Zeit damit. Ich habe aber eingesehen, wie hilfreich eine konsequente Verschlagwortung ist und schliesse daher laufend alle Lücken, die in meinem LR-Katalog bestehen. Mein Vorgehen ist dabei relativ schmerzlos und beinhaltet trotzdem eine gewisse Systematik auch wenn grössere Bildbestände mit tausenden Fotos zu verschlagworten sind. Wie häufig gilt auch hier das Sprichwort, dass viele Wege nach Rom führen. Meine Variante ist als Anregung zu verstehen. Ich kann jedem LR-Anwender nur empfehlen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und mit dem eigenen Bildbestand zu arbeiten, ältere Bilder zu sichten, zu bewerten und zu verschlagworten. Über die Jahre wird man dabei feststellen, dass sich das eigene fotografische Sehen weiterentwickelt und sich die Bilder immer häufiger vom schnellen Schnappschuss abheben können, hin zum bewusst komponierten Bild ohne ablenkende Elemente. Auf diese Weise entstehen nach und nach Fotos, die auch die Aufmerksamkeit anderer erringen können. Wie sagte doch Henri-Cartier Bresson augenzwinkernd: “Deine ersten 10’000 Aufnahmen sind die schlechtesten.”

“Deine ersten 10’000 Aufnahmen sind die schlechtesten.” – Henri-Cartier Bresson

Der Workflow Schritt für Schritt

Grundsätzlich müssen zuerst alle Bilder ohne Schlagworte gefunden werden. In LR kann dies zum Beispiel mit einem Bibliotheksfilter oder einer entsprechenden Smart-Collection erfolgen. Wer jetzt direkt mit dem Zuweisen von Schlagworten beginnt, wird feststellen, dass beim ersten Zuweisen eines Stickworts das Bild vom Bildschirm verschwindet. Klar, das Bild hat ja jetzt mindestens ein Keyword und wird daher vom Filter nicht mehr angezeigt. Es können daher keine weiteren Schlagwörter hinzugefügt werden.

Hier bietet sich die LR Schnellsammlung als Lösung an. Mein Keyword Workflow sieht so aus:

1. In die Rasteransicht der Bibliothek wechseln: G
2. Schnellsammlung leeren: Ctrl-Shift-B
   Achtung: Dies kann je nach Anzahl Bilder und Computer-Leistung eine Weile dauern.
   
3. Alle Bilder im Katalog verwenden: Katalog > Alle Fotos
   

   Alle Fotos als Quelle auswählen

4. Bibliotheksfilter setzen: Metadaten > Stichwort > Ohne
   

   In der ersten Filterspalte alle Fotos ohne Stichwörter filtern. Die weiteren Filterspalten werden nicht benötigt, daher die Auswahl jeweils auf “Alle” setzen.

5. Alle Bilder auswählen: Ctrl-A
6. Alle ausgewählten Bilder in die Schnellsammlung zuweisen: B
   Achtung: Dies kann je nach Anzahl Bilder und Computer-Leistung eine Weile dauern.
7. Die Schnellsammlung als Quelle auswählen: Katalog > Schnellsammlung
   

   Schnellsammlung als Quelle auswählen

8. Auswahl aufheben: Ctrl-D
   Jetzt ist alles vorbereitet. Punkt Nr. 9 kann nun laufend wiederholt werden, bis alle Bilder abgearbeitet und mit Stichwörtern versehen sind (oder bis man selber eine Pause braucht… ;-)
9. Ein Bild oder mehrere ähnliche Bilder fürs Verschlagworten selektieren und die passenden Stichwörter hinzufügen. Wenn fertig: B
   Mit der Taste B werden die selektierten und fertig verschlagworteten Bilder aus der Schnellsammlung entfernt, LR selektiert automatisch das nächste Bild und es kann weiter verschlagwortet werden.

Weitere Tipps

Wenn neben der Verschlagwortung in einer Mehrfachselektion ein Bild zusätzlich mit Sternen bewertet oder beispielsweise mit einem farbigen Label versehen werden soll,  muss mit N in den Übersicht-Modus gewechselt werden, sonst gilt die Zuweisung für alle selektierten Bilder gleichzeitig. Anschliessend kann wieder mit G in die Rasteransicht zurück gewechselt werden.

Zudem sollte man seine Keywords regelmässig exportieren und sichern. LR generiert beim Export ein ASCII-Textfile, das in einer anderen LR Installation problemlos wieder importiert werden kann – z.B. via Dropbox auf einem Notebook für unterwegs.